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„Der Gesetzgeber hat dem Markt einen Bärendienst erwiesen“

Interview mit Kurt Kretschmer, e2m

Mit freundlicher Genehmigung von energate-messenger. Das Originalinterview finden Sie hier.

Leipzig (energate) - 2021 ist das erste Jahr der Post-EEG-Ära. Zum Jahresstart fallen rund 4.000 MW Onshore-Windkraft aus dem EEG-Förderregime, schätzen Marktteilnehmer. Dies bedeutet auch für Direktvermarkter wie Energy2Market (E2M) eine Zäsur. Kurt Kretschmer ist bei dem Energiehandelsunternehmen aus Leipzig verantwortlich für Energiepolitik. Im energate-Interview erklärt er, wie sich E2M auf das Post-EEG-Zeitalter eingestellt hat und warum der Markt die jüngste EEG-Novelle mit gemischten Gefühlen aufnimmt.


energate: Herr Kretschmer, wie hat sich E2M als Direktvermarkter auf das Post-EEG-Zeitalter vorbereitet?

Kretschmer: Bis in den Dezember 2020 hinein hatte die E2M die 2021 beginnende Post EEG-Ära, also das Ende der 20-jährigen Förderung von Strom aus erneuerbaren Energien, eher als Chance für die Erneuerbaren-Branche gesehen. Als Direktvermarkter fühlen wir uns verpflichtet, die Energiewende auch marktwirtschaftlich zu einem Erfolgsmodell zu machen. Die wettbewerbliche Integration der erneuerbaren Energien in den Strommarkt hört für uns beim Marktprämienmodell, also der geförderten Direktvermarktung, nicht auf. Dementsprechend haben nicht nur wir, sondern die gesamte Branche, trotz pandemiebedingt niedriger Strompreise mit vielen betroffenen Kunden ungeförderte Stromhandelsverträge und PPAs abgeschlossen.

energate: Inwiefern hat sich Ihre Einschätzung vom Post-EEG-Zeitalter als Chance für Direktvermarkter gewandelt?

Kretschmer: Die auf den letzten Metern vom Gesetzgeber eingebrachten Änderungen in der Anschlussförderung für ausgeförderte Anlagen hat den Markt völlig kalt erwischt und insbesondere diejenigen Betreiber und Händler vor den Kopf gestoßen, die wie die E2M frühzeitig marktliche Anschlusslösungen anboten beziehungsweise annahmen. Bereits mit dem Kabinettsentwurf Ende September 2020 durften die Marktakteure damit rechnen, dass es eine einjährige Übergangslösung für ausgeförderte Anlagen über 100 kW, in Form einer Vermarktung durch den Netzbetreiber zu Marktpreisen, geben dürfte. Anlagenbetreiber, die sich zu spät um Anschlussverträge mit ihrem Direktvermarkter gekümmert haben, sollten dadurch nicht im Regen stehen gelassen werden. Entgegen dem ursprünglichen Entwurf ist in der beschlossenen Fassung nun aber eine zeitlich gestaffelte Zusatzförderung ergänzend zum Marktpreis vorgesehen. Diese beträgt zumindest bis Juli 2021 10 Euro/MWh und schmilzt dann allmählich ab.

energate: Was bedeutet das für Windparkbetreiber und Direktvermarkter - wie bewertet der Markt die Neuerung?

Kretschmer: Windparkbetreiber dürften dieses "Geschenk" eher mit gemischten Gefühlen auffassen. Denn die Entscheidung, in die Einspeisevergütung durch den Netzbetreiber zu wechseln, ist keineswegs ohne Risiko. Aufgrund der steuerlichen Subvention der EEG-Umlage hat die Bundesregierung erneut die Tür für die beihilferechtliche Genehmigung durch die EU aufgestoßen. Damit stehen alle gesetzlichen Vergütungen oberhalb des eigentlichen Marktpreises unter Genehmigungsvorbehalt der Kommission. Die Unsicherheit unter den Betreibern ist daher groß.

Der Gesetzgeber hat aus unserer Sicht dem Markt einen Bärendienst erwiesen. Die Planungs- und Investitionssicherheit der Akteure wurde ein weiteres Mal unterminiert. Die Marktintegration der Erneuerbaren wurde unnötig ausgebremst. Darüber bleibt völlig unbegreiflich, welchen energiewirtschaftlichen Effizienzgewinn eine vorübergehende Vermarktung durch den Netzbetreiber im Vergleich zur geförderten Direktvermarktung bringen soll. Immerhin haben Direktvermarkter jahrelange Erfahrung mit der Prognose und Bewirtschaftung von fluktuierender Erzeugung. Ab 2022 soll das pauschale Vermarktungsentgelt von 0,4 Cent/kWh durch die von den Übertragungsnetzbetreibern ermittelten tatsächlichen Vermarktungskosten ersetzt werden. Spätestens dann wird sich zeigen, wie effizient die Netzbetreiber die Portfolios wirklich bewirtschaften.

energate: Wie wird diese erste Post-EEG-Welle die Windkraftportfolios konkret verändern?

Kretschmer: Die Regelungen des EEG 2021 dürften dazu führen, dass trotz bestehender Unsicherheiten ein Großteil der ausgeförderten Windparks aus den Portfolios der Direktvermarkter hin zum Netzbetreiber wechselt. Bereits geschlossene Verträge über eine Anschlussvermarktung werden wohl aufgrund der geänderten Rahmenbedingungen mehrheitlich rückabgewickelt. Die ungeförderte Direktvermarktung und der PPA-Markt dürften damit auch die nächsten Jahre nur eine untergeordnete Rolle in der deutschen Energielandschaft spielen. Wir gehen allerdings davon aus, unsere vorübergehend verlorenen Kunden, für die nach einem Jahr die gesetzliche Zusatzvergütung ausläuft und die keinen Zuschlag in der noch auszugestaltenden Ausschreibung für eine Anschlussförderung erhalten, mit unseren Produkten erneut überzeugen zu können, um mit ihnen gemeinsam die Energiewende fortzuschreiben.

energate: Droht in Deutschland nun eine Rückbauwelle bei der Onshore-Windkraft?

Kretschmer: Aus Sicht der angestrebten Ausbauziele ist zumindest zu begrüßen, dass mit der neu eingeführten Ausschreibung für die Anschlussförderung eine Antwort auf den drohenden Rückbau bei solchen Windparks gefunden wurde, für die aufgrund planungsrechtlicher Unwägbarkeiten ein Repowering bisher nicht infrage kam. Nur solche Anlagen sind überhaupt zur Teilnahme an der Ausschreibung berechtigt. Damit erklärt sich auch das Ausschreibungsvolumen von insgesamt 2.500 MW, verteilt auf zwei Ausschreibungsrunden. Das Volumen entspricht in etwa den Erwartungen des Gesetzgebers zu Anlagen, die nicht für Repowering geeignet sind. Damit hat man vermutlich die Gefahr eines größeren Rückbaus gebannt - die energiewirtschaftlich sinnvollere Option eines flächendeckenden Repowerings von Altanlagen bleibt aber weiterhin vielen Windparkbetreibern verwehrt.

Die Fragen stellte Philip Akoto, energate-Redaktion Essen.

Kretschmer: "Die jüngste Novelle des EEG bremst die Marktintegration der Erneuerbaren unnötig aus" (Foto: energy2market)

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